Ich habe ein Problem, ein großes Problem würde ich es nennen. Ich habe sehr viel Sympathie und unterstütze viele Soziale Bewegungen der letzten Jahrzehnte. Sei es zum Thema Umwelt, sei es zum Thema Tierschutz, sei es zum Thema Privatisierungen oder der Abschaffung des öffentlichen Raums. Genauso weiß ich, dass diese Gruppen, die sich für viele dieser Themen einsetzen vielfach auf Widerstand stoßen und nur selten ihr Anliegen dort anbringen können, wo es etwas bringen könnte.

Nun, zu meinem Problem, ich kann vielen dieser Sozialen Bewegungen nicht mehr glauben. So sehr ich ihre Forderungen unterstütze so sehr stößt mich ihre Art und Weise ab, wie sie Argumentieren und wie sie sich in der Öffentlichkeit zeigen. Ein Beispiel, die Macher der sehenswerten Dokumentation Water Makes Money über die europaweite Privatisierung der Wasserversorgung und darüber wie französische Städte sich diese zurückerobern, meldeten vor ein paar Wochen, dass ihre Seite gehackt worden ist. Was genau passiert ist war damals nicht bekannt, doch auf der Seite hieß es, dass Gegner und/oder Leute aus der Wasserwirtschaft dafür verantwortlich gewesen seien.

Anderes Beispiel, Wohnungsbau. In fast allen deutschen Großstädten werden mehr und mehr Stadtteile Gentrifiziert, d.h. die alteingesessenen Einwohner_innen und ihr soziales Netz werden verdrängt, um wohlhabenden Menschen Platz zu machen. Dies geht meist mit der Privatisierung öffentlichen Raums einher. Solche Projekte oder Entwicklungen gab es auch schon früher, genau wie der Widerstand dagegen. So sollte in den 1970er Jahren in Bremen die Mozarttrasse gebaut werden. Eine breite Straße von der Innenstadt über die Weser und durchs Buntentor. Links und rechts von dieser Straße sollten im Stil der Neuen Vahr riesige Hochhäuser entstehen. Für dieses Projekt sollte der Stadtteil Ostertor (das Viertel) komplett abgerissen werden. Betonung liegt auf sollte, denn das Projekt scheiterte am Widerstand der Anwohner_innen.

Die Einwohner_innen waren von diesem Projekt entsetzt. Es bildete sich Widerstand, dieser wurde nicht nur außerhalb des Parlamentes und der Parteien sichtbar, sondern auch in diesen. Viele Widerständler_innen traten in die regierende SPD ein und übernahmen hier wichtige Positionen, um das Viertel zu retten. Und so scheiterte das Projekt Mozarttrasse am Widerstand in und außerhalb der Partei. Dieses Beispiel zeigt, dass ein Widerstand auf einer breiten Basis funktionieren kann.

Die Folgen der Gentrifizierung in den Großstädten wird nicht kleiner sein als die Folgen die der Bau der Mozarttrasse in Bremen gehabt hätte. Und auch das damals gerettet Viertel ist heute bereits gentrifiziert. Das Problem beim aktuellen Widerstand ist jedoch, dass er sich auf die außerparlamentarische Arbeit konzentriert. Dies hat natürlich Folgen, wie schon Rio Reiser vor vielen Jahren gesungen hat, da werden aus ein paar leeren Flaschen Wein Molotowcocktails. Dies wird vom Staat und der Presse mit Begeisterung aufgenommen und die Sache verliert wichtige Unterstützer_innen. Statt über die Methoden mit denen Vermieter_innen ihre Mieter_innen loswerden, wird über brennende Autos und Brandanschläge diskutiert. Und wir müssen uns rechtfertigen für das was andere tun.

So sehr viele auch keine Alternative zu radikalen Aktionen sehen, so sehr muss die Radikalität meines Erachtens in eine andere Richtung gehen. Sie muss die Menschen mitnehmen, sie muss auf den Menschen und seine Umgebung heruntergebrochen werden, sie muss klar machen, dass alle betroffen sind. Auch jene Menschen, die heute andere Menschen aus ihren Stadtteilen verdrängen. Der Widerstand muss in die politischen Parteien getragen werden.

Brennenden Autos, zerbrochene Fensterscheiben oder beschmierte Wände sind dafür keine gute Werbung. Am Tag danach, lesen viele Menschen in den Zeitungen etwas von terroristischen Anschlägen und setzen diese mit der Diskussion für eine soziale Stadt gleich. Das kann nicht in unserem Interesse liegen.